[Cluny/ Burgund] Wie schon beim Durchfahren der satten, südwestlichen Landstriche in Deutschland springt einem auch im Französischen die grüne Natur, die reiche Landwirtschaft und die gepflegte Beschaulichkeit ins Auge. Aus dem sandigen Norden Brandenburgs kommend fällt einem die fruchtbare rote Erde auf, die hier seit Jahrhunderten Basis materiellen Wohlstands ist. Das war’s dann aber auch schon mit dem Roten in der Gegend. Heute gedeihen im wohlhabenden Burgund vor allem der Rechtsextremismus und die Fremdenfeindlichkeit. 40% der Wähler*innen haben zuletzt der Front National oder noch extremere Parteien gewählt. Man fragt sich ernsthaft, was die Leute für ein Problem haben, wenn man die sanierten Häuser, herausgeputzte Städtchen, asphaltierte Straßen und eine aktive Landwirtschaft an sich vorbeiziehen sieht. Wie in Deutschland ist die extreme Rechte den strukturschwachen Gebieten längst entwachsen und hat sich in der bürgerlichen Mitte breit gemacht. In Regionen, die ganz wesentlich vom „Fremdenverkehr“ abhängen, macht sich die Fremdenfeindlichkeit breit.
Der Bürgermeister von Beaune erklärt das mit der Distanz zwischen Regierenden und Regierten, die die Politik in der Zentrale Paris als elitär, abgehoben und technokratisch wahrnehmen. Erklärungsmuster, die auch in den USA oder Deutschland taugen. Aktuell können wir den Zorn der Bürger*innen an jedem Ortsschild um Cluny (nur nicht in Cluny selbst) erkennen: die „Jungbauern“ haben Anfang des Jahres Solidarität mit den deutschen Bauernprotesten gezeigt (eine eigentümliche Solidarisierung einer nationalistischen Bewegung mit einer „fremdländischen“ Bewegung, die sich aber in der Ablehnung „des Systems“ einig sind … im Zweifel die Ablehnung der EU-Agrarpolitik). Als Symbol des Protestes wählte man die Ortsschilder, die abgeschraubt und auf dem Kopf gedreht wieder angeschraubt wurden. Eine zumindest visuell wirksame Methode, der Forderung Nachdruck zu verleihen, die Politik vom Kopf auf die Füße zu stellen.
Eine ganz andere Form der Visualisierung von Macht und deren Vergänglichnkeit begegnet uns in Cluny: von der einst so mächtigen Abtei, die sich nach ihrer Gründung im Jahr 910 n.Chr. zum „größten mittelalterlichen Mönchordens des Abendlandes“ (Selbstbeschreibung) entwickelte, ist nicht mehr viel übrig. Das ist nicht das Ergebnis von Seuchen, Kriegen oder Raubzügen sondern von schlichten politischen Entscheidungen: im Zuge der französischen Revolution und der Säkularisierung wurde das Kloster 1791 aufgelöst und 1798 in vier Losen an Materialhändler versteigert, die das riesige romanische Bauwerk als Steinbruch für den Straßenausbau und Bau von Häusern nutzten. So profan kann auch das ehemals Große oder gar Größte enden…
Deutlich mehr Respekt scheinen die Franzosen vor dem privaten Wohnungsbestand zu haben, denn wir sehen in vielen Dörfern perfekt sanierte Altbauten, die auf gelungene Weise das Traditionelle mit dem Modernen verbinden und auf die Bewahrung von historischer Bausubstanz ausgerichtet scheinen. Auch unsere Bleibe im Dorf Jalogny ist auf diese Art eine sehr empfehlenswerte Kombination vom Charme alter Steinhäuser mit den Segnungen moderner Ausstattung.