[Bolivien] Nachdem wir mit Peru die Inka-Kultur hinter uns gelassen hatten, sind wir über (einen Kurzbesuch in) Mexiko/ Tulum nach Guatemala gereist und durften auf eine weitere Hochkultur Lateinamerikas umschalten: auf die Maya-Kultur. Deutlich älter als die Inka und in einigen Aspekten deutlich weiterentwickelt, insbesondere hinsichtlich der Maya-Schrift und ihres Sonnen- und Mondkalenders. Aber es gab trotz des geographischen und zeitlichen Abstands der beiden Zivilisationen eine Vielzahl von Berührungspunkten: die naturnahe Religionsvorstellung, insbesondere die enge Verbindung mit Mutter Erde, den Kult um Sonne und Mond, die Vostellung einer die Welt prägenden Dualität und dreier Welten, die „obere“ (göttliche), die des Hier und Jetzt, in der die Menschen leben, und die innere/seelische oder untere Welt, die auch diejenige der Vorfahren und des Todes ist. Opfergaben waren im Dialog mit den Göttern gleichermaßen zentral. Die Vorstellung eines Lebens nach dem Tod, bei dem die vertraute Tierwelt eine große Rolle spielte: Schlange, Wildvögel und Wildkatzen. Eine Besonderheit der Maya war das (rituelle und für den/die Verlierer wohl tödlich – nämlich mit seiner Opferung – endende) Ballspiel, dass durch prominente Spielplätze bis heute dokumentiert ist; allein auf der Halbinsel Yucatán sind über 500 Ballspielplätze dokumentiert.




Überhaupt hat die Maya-Kultur den „Vorteil“ gegenüber der Inka-Kultur, dass die Spanier erst 400 – 500 Jahre nach Niedergang der Hochkultur ankamen und wenig Grund hatten, die im Dschungel verborgenen Städte zu zerstören und mit Kirchenbauten und eigenen Palästen zu überbauen, wie dies etwa in Cusco flächendeckend passiert ist. Bezüglich des Kulturguts Schrift waren die Spanier allerdings ähnlich rigoros und vernichteten mit der Ignoranz der Besatzer alle Maya-Schriftzeugnisse, die es damals noch in erheblicher Größenordnung gegeben haben, muss. Nur sehr wenige Schriftstücke haben bis in unsere Zeit überlebt. Dieses Wenige reichte aber aus, um die Maya-Schrift im Jahr 1959/1960 fast vollständig zu entschlüsseln, so dass vergleichsweise viel über die Geschichte der großen Städte und Fürsten bekannt ist.


In der „späten Klassik“ (etwa 600 – 900 n.Chr.) erreichte die Maya-Kultur ihren Höhepunkt und prägte die gesamte Yucatán-Halbinsel und große Teile des heutigen Guatemalas sowie den Norden des heutigen Honduras. Man schätzt die Bevölkerung in dieser Zeit auf ca. 10 Mio. Menschen, die sich auf eine Vielzahl sehr großer Städte verteilten, die dezentral von Fürsten/ Königen regiert wurden und oftmals jahrzehntelang miteinander Krieg führten. Insgesamt wies die Zivilisation eine hohe Bevölkerungsdichte auf, bis sie auf bis heute nicht erklärte Weise im 10. Jahrhundert unterging und verschwand.
Heute leben noch etwa 6,1 Mio. Maya in Mittelamerika, der größte Teil von ihnen in Guatemala (ca. 5 Mio. und damit ca. 40% der Bevölkerung). Sie waren auch im 20. Jahrhundert immer wieder gewalttätiger Unterdrückung ausgesetzt, die sich gegen ihre Kultur, Sprache und soziale Stellung richtete (siehe auch Blog #89).

Wir durchstreiften das Gebiet der Maya von Tulúm (Festung am Meer) in Mexiko, über Tikal (eine der großen Städte der Zeit) und Yaxha (große Nachbarstadt in der Nähe von Tikal) im Tiefland bis zu den kleineren Stätten um den Atitlán-See im Hochland. In Tikal erlebten wir den obligatorischen Sonnenaufgang auf der Großen Pyramide mit Brüll-Affen im Hintergrund; in dem weniger besuchten Yaxha den obligatorischen Sonnenuntergang auf Pyramide, ebenfalls mit Brüll-Affen im Hintergrund (als Standort deutlich naturnäher und tierreicher). Am Atitlán-See wurden wir mit dem besonderen „Dresscode“ der heutigen Maya vertraut (siehe Blog #89).
Obwohl Guatemala-City als gefährlich und häßlich gilt (gerade im Gegensatz zum Touristenliebling Antigua), haben wir auf dem Weg zum Lago de Atitlán einen Unterbrechung in der Hauptstadt eingelegt. Eine sehenswerte Besonderheit sind dort die Museen, in denen sich eine Vielzahl beeindruckender Maya-Funde aus über 2.000 Jahren finden. Den größten Eindruck machten auf uns die erhaltenen, farbigen Wandmalereien, die reale historische Geschichten erzählen oder auch mythische Begebenheiten illustrieren. Insbesondere die Wandmalereien in der Pyramide von San Bartolo, die auf 100 v.Chr. geschätzt werden, wirken in ihrer Farbigkeit und Ausdruckskraft fast modern. Empfehlenswert sind insbesondere das Museo Popol Vuh sowie das Museo Nacional de Arqueologíca y Etnología.



100 v. Chr.
Ein besonderer Bezug nach Deutschland besteht im sog. „Dresdener Kodex“ als einem der vier heute noch erhaltenen Maya-Bücher, das auf die Zeit zwischen 1200 und 1250 n. Chr. datiert wird. Eine Abschrift liegt im Museo Popol Vuh („Popol Vuh“ bezeichnet das heilige Buch der Maya) und als kritischer Europäer fragt man natürlich, warum das Original nicht restituiert wird. Die ernüchternde Antwort von einheimischen Guatemalteken: Es sei besser, dass diese wertvollen Exponate im Ausland sicher verwahrt würden, in Guatemala würden solche archäologischen Schätze nur in korrupte Hände fallen und auf dem illegalen Kunstmarkt verschwinden. Das Museum in Tikal hat nach Angaben unseres Führers einen Großteil seiner Exponate in den vergangenen Jahrzehnten auf diese Weise „verloren“. Zur Korruption und der aktuellen Lage in heutigen Guatemala siehe Blog #89.

