„Die Spanier und der Müll“ ist wie „Die Italiener und der Müllstreik“ ein beliebtes Reisethema, wenn wir Deutsche feststellen, dass „die anderen“ ihre schöne Landschaft vermüllen, während wir die Glasflaschen zu Hause nach Farbe sortiert zum Container tragen. Unser Eindruck hier ist jedoch ein anderer: Auf der bisherigen Reise wirkt die Müll-Entsorgung im Land gut organisiert und wir befinden uns immerhin am Ende der Welt, wie bereits die Römer feststellten (das „Capo Finisterre“ ist nicht weit). In unserem Dorf Bueu gibt es keine Abfalleimer auf den privaten Grundstücken, sondern große Müllcontainer in den Straßen, die mehrmals in der Woche geleert werden und Hausmüll und Plastik trennen. An größeren Straßenkreuzungen gibt es zusätzlich Glascontainer und gelegentlich Papiercontainer. Alles in allem wirkt Galizien sehr aufgeräumt und sauber (wo immer der Müll dann auch hinkommt; ein europäisches Problem. Wir entsorgen unseren Müll ja gerne für ein paar Euro ins ferne Ausland, wo er dann jenseits europäischer Normen verbrannt wird oder sich auf ungesicherten Deponien auftürmt und durch Wind und Wetter irgendwann ins Meer getragen wird …).
Man kommt beim Anblick einer einzelnen Plastikflasche, die vom Meer wieder ausgespuckt und am sauberen galizischen Sandstrand zurückgelassen wird, durchaus ins Grübeln.
Die Flasche dürfte ihrem Besitzer wahrscheinlich nicht mal einen Tag lang gehört haben. Ihren eigentlichen Zweck hat sie sicherlich in nicht mehr als 20 Minuten erfüllt: sie wurde konsumiert, löschte für einen Moment den Durst und wurde dann entsorgt. Plastik macht das Konsumleben schön flexbibel (und günstig), Plastik verschwindet aber leider nicht.
Die kleine Plastikflasche am schönen „Praia de Paxarinas“ wirkt zeitlos harmlos und lässt einen denken, dass sich das Problem mit Aufheben und Entsorgen beseitigen lässt. Das Gegenteil ist der Fall: Diese konkrete Plastikflasche wird bis zu 450 Jahre auf dieser Welt sein, bis sie zersetzt ist (und dann als Microplastik weiter Probleme macht). Sie ist nur Teil eines gigantischen Plastikmüllbergs (oder besser Teppichs), der die Ozeane weltweit täglich mehr belastet: Der WWF stellt fest, dass man heute gar nicht mehr barfuß am Strand laufen kann, ohne neben den Sandkörnern meist auch viele feine Mikroplastikartikel unter den Füßen zu haben. 19 bis 23 Mio. Tonnen Kuststoffmüll gelangen aktuell jedes Jahr (!) im Meer. Um es anschaulicher zu formulieren: ca. zwei LKW-Ladungen pro Minute (!!!). Und die Prognosen gehen von einer weiteren Verschärfung des Problems aus, das bedeutet, dass „(…) bis 2040 jährlich zwischen 23 und 37 Millionen Tonnen Plastik in den Ozean gelangen werden. Das entspricht 50 Kilogramm Plastik pro Meter Küstenlinie weltweit“, so die Organisation Seacleaners.org.
Der häufigste Plastikmüll an Stränden sind übrigens die Plastikfaschen, sie finden sich auf Platz 1 der schmutzigen Rankingliste des Europäischen Parlaments. Auf Platz 3 liegen Wattestäbchen (!?), die sind verboten, weil’s Alternativen gibt. Die Plastikflasche ist nicht verboten, vermutlich nicht wegen der fehlenden Alternative sondern wegen der schlichten Marktmacht der Anbieter und der fehlenden Einsicht der Konsumenten.
Man kann es angesichts der sauberen Strände und glasklaren Ozeane und angesichts vermeintlich funktionierender Müllentsorgung nicht oft genug sagen: von den 380 Mio. Tonnen Kunststoff, die jährlich weltweit produziert werden, sind 50% der Produkte für den einmaligen Gebrauch bestimmt. Sie erfüllen ihren Zweck ein einziges Mal und vermüllen unseren Planeten dann für mehrere hundert Jahre. Noch Fragen?
Das sieht man alles der unscheinbaren PET-Flasche auf dem sonst traumhaften Strand nicht an. Ich überlege länger, ob es Sinn macht, die Flasche aufzueben und in den nächsten Mülleimer zu werfen. Mir kommen zwar Zweifel (die innere Stimme: „Man muss das System ändern!), am Ende mache ich es dann aber doch (die innere Stimme: „Taten statt Worte! Das Große beginnt klein“!). Ändern wird das nichts, Veränderung bringt nur eine radikale Abkehr vom Einwegplastik. Das sind wir allerdings alle unserer Umwelt schuldig, dazu muss man nicht erst den „Great Pacific Garbage Patch“ gesehen haben, wo sich ein Teil unseres Müll im Meer fern unserer Wahrnehmung und Urlaubsstrände anhäuft. Das Große beginnt klein … Den Impuls kann auch eine einzelne Flasche am Strand geben.