Ein Muss für jede*n Reisende*n …

[Argentinien und Chile] Auf unserer Reise nach Lateinamerika begleitet uns ein einziges gebundenes Buch: Der „Kurzgefasste Bericht von der Verwüstung der westindischen Länder“ von Bartolomé de Las Casas. Der Bericht erschien erstmals 1552 und prangerte sehr früh die unfassbaren Grausamkeiten und Vernichtungsfeldzüge gegen die ursprüngliche Bevölkerung der von Spanien „entdeckten“ Neuen Welt an. Die Lektüre dieses in Spanien bis heute umstrittenen Berichts (Vorwurf der „Leyenda negra„) lohnt auch fast ein halbes Jahrtausend später, weil die Strukturen und Mechanismen der ausgefeilten Unterdrückungs-, Vernichtungs- und Ausbeutungsstrukturen unter dem Deckmantel eines vermeintlich höheren Ziels („Zivilisierung“ bzw. christliche Missionierung) eindringlich und nachvollziehbar beschrieben werden. In unserer Ausgabe von 1966 findet sich zudem ein kluges Nachwort von Hans Magnus Enzensberger, der den Völkermord in Lateinamerika und das koloniale Ausbeutungssystem vor dem Hintergrund moderner kapitalistischer Ausbeutung und imperialer Militärinterventionen wie in Vietnam reflektiert.

In Chile und Argentinien fehlte von Beginn an der „Treibstoff“ der enthemmten Gier und gnadenlosen Gewalt, die Mittelamerika und die nördlicheren Länder bis zum heutigen Peru verwüsteten: es gab kaum Gold und Silber. Daher wurde das weite Land vergleichsweise langsam vereinnahmt. Trotz Fehlens von Edelmetallen mit nicht minder hoher Gewalt. Es waren Hunderte indigener Kulturen und Zivilisationen, auf die die Invasoren stießen und die sie fast ausnahmslos in kürzester Zeit vertrieben oder vernichteten. Nur die Mapuche im südlichen Chile leisteten ihnen unter ihrem Häuptling Lautaro erfolgreich Widerstand, der einige Jahrhunderte erfolgreich war (vgl. Blog #60).

Verfolgung und Diskriminierung hielten über Jahrhundert an und spielten auch im 19. Jahrhundert bei der Bildung der unabhängigen Nationalstaaten (hier: Chile und Argentinien) eine relevante Rolle. Beispielhaft lässt sich für den verbreiteten Rassismus der Präsident Argentiniens und Schriftsteller Domingo Faustino Sarmiento zitieren:

Wird es uns gelingen, die Indianer auszurotten? Für die Wilden Amerikas empfinde ich einen unüberwindbaren Widerwillen, gegen den ich keine Abhilfe weiß. Dieses Gesindel besteht nur aus ekelhaften Indianern, die ich aufzuhängen befehlen würde, wenn sie wieder auftauchten. Lautaro und Caupolicán sind verlauste Indianer, weil sie alle so sind. Unfähig zum Fortschritt, ist ihre Vernichtung von der Vorsehung bestimmt und nützlich, sublim und großartig. Sie müssen ausgerottet werden, ohne Erbarmen für den kleinen Nachkommen, der schon über den instinktiven Hass auf den zivilisierten Menschen verfügt.“ [Quelle]

Dieser Mann wird bis heute mit Statuen sowie in Straßennamen und Plätzen in vielen argentinischen Städten geehrt. In Santiago kann dagegen im sehr sehenswerten Museo Chileno de Arte Precolombino die hohe Zivilisationsstufe einer Vielzahl indigener Kulturen bestaunt werden, die teilweise in ihrer jeweiligen Zeit entwickelter waren (was immer das ist) als die Völker im fernen Europa.

Die dargestellten Objekte sind aus der Zeit um 300 v. Chr (!) bis kurz vor „Entdeckung“ durch Kolumbus. Es gab Schrift- und Zahlensysteme, Astronomie, hochentwickelte Handwerkstechniken (insbesondere im Textilbereich und Metallgewerbe). Die Kulturzeugnisse wurden größtenteils durch die Spanier zerstört, bewußt vernichtet (insbesondere die Schriften aus teilweise religiösen Gründen) oder eingeschmolzen (alles, was nach Gold oder Silber aussah).

P.S.: Auch das Museo Arqueologico der Hafenstadt La Serena zeichnet liebevoll und detailliert die Entwicklung der dortigen Stämme seit der Frühsteinzeit anhand von Werkzeugen, rituellen Steinskulpturen, Keramik und Metallgegenständen nach.

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  1. […] Argentinien] Ähnlich wie der bereits zitierte Schriftsteller und Präsident Sarmiento (vgl. Blog #59) war ein Großteil der nationalen Helden des 19. Jahrhunderts in Chile und Argentinien der Meinung, […]

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