[Argentinien] Nachdem wir jetzt zweimal die Erfahrung gemacht haben, dass die Bustickets online gut 20% mehr kosten als die Bustickets am analogen Schalter (das sind die kleinen Kabinen, in denen echte Menschen sitzen), soll hier die Welt des Bezahlens in Argentinien in ihrer ganzen Vielfalt und Komplexität aufgeblättert werden.
Es beginnt nach Ankunft mit der Frage: Was tausche ich bei wem zu welchen Kurs? Vorab ist viel vom „Dollar blue“ die Rede, bei dem man einen bessern Kurs bekommt. Gleichzeitig warnen Reiseführer, Bekannte und wohlmeinende Einheimische vor leichtfertigen Straßentausch bei den „Cambio“-Rufern, die an jeder von Touristen frequentierten Ecke stehen. Nach unseren ersten drei Wochen im Land können wir folgende Erkenntnisse an Devisenträger*innen aus dem Ausland weitergeben:
- Der „Dollar blue“ ist der Schwarzmarkt- (oder etwas freundlicher: Straßen-) Kurs für den US-Dollar; damit umging man ab 2002 die staatlichen Devisenkontrollen. Der Kurs konnte früher bis zu 100% über dem offiziellen Wechselkurs liegen; aktuell (Januar 2025) liegt er etwa 20% über dem offiziellen Kurswert des US-Dollars
- Preise werden in Argentinien oftmals danach unterschieden, wie man zahlt: bar wird gerne gesehen (trotz Inflation), bei Zahlung mit Kreditkarte wird oft ein Preisaufschlag von 15 – 20% genommen
- Speziell die Eintrittspreise zu staatlichen Einrichtungen werden oft danach unterschieden, ob man als Argentinier*in oder Ausländer*in kauft: hier können sich die Preise um 100% unterscheiden
- Die analogen Preise sind in der Regel deutlich günstiger als die Buchungen über Online-Portale (siehe oben Bustickets)
- Wenn man US-Doller offiziell wechselt, dann wird danach unterschieden, welche Scheine man mitbringt: der Kurs für 100,-$-Scheine ist besser als der Kurs für 20,- oder 50,-$-Scheine
- Wenn man dann mal glücklich seine Devisen in Pesos umgetauscht hat, stellt man fest, dass manche Peso-Scheine beliebter sind als andere: so akzeptieren die Maschinen zum Aufladen des Nahverkehrstickets (SUBE in Buenos Aires) nur ganz bestimmte 1.000,-$ (Peso)-Scheine … das kann im Gewühl der Metro Nerven kosten
- Für alle Lateinamerika-Anfänger*innen (wie wir es bis vor drei Wochen waren): EC-Karten könnt Ihr zu Hause stecken lassen. Abhebungen mit Kreditkarte sind teuer. Bezahlt wird fast alles in bar oder mit Kreditkarte, bei der Kreditkarte sind für das inländische Handling (in Deutschland) Gebühren fällig
- Empfohlen wird die angeblich gebührenfreie Alternative „Western Union“ (WU), mit deren App man sich in jeder größeren Stadt selbst beliebige Beträge „zusenden“ kann, die man dann im WU-Büro vor Ort relativ unkompliziert abholt. Der Kurs liegt ähnlich wie der Dollar Blue ca. 15 – 20% über dem Bankkurs, gebührenfrei ist das allerdings nicht (ca. 7%)
- Ganz wichtig: Dicke Geldbeutel/ Brusttaschen und viele Gummis mitbringen! In der Regel erfolgen die Auszahlungen in 1.000,-$-Scheinen, d.h. man hat bei 100,-€ ungefähr 120 abgenudelte Scheine als ziemlich dickes Bündel in der Hand bzw. Tasche … die Inflation lässt grüßen!
Ein Wort zur Inflation, die einen Teil der o.g. Blüten treibt: Dieses ehemals reiche Land leidet schon seit Jahrzehnten unter starken Inflationsausschlägen, unter Isabel Peron (1974-1976) mit Spitzen um die 600%. Ende der 80er-Jahre kam es wieder zu einer Hyperinflation, in den 2000er-Jahren bis 2019 schwankten die Inflationsquoten zwischen 40% (2002) und 53% (2019). 2022 stieg die Inflation auf 95%, 2023 auf 220%. Die drastischen Ausgabekürzungen des selbsternannten „Anarchokapitalisten“ Milei führten durch den Rückgang des Wirtschaftswachstums (und bei parallel steigender Armutsquote auf Werte über 50% der Bevölkerung) zu einer abnehmenden Inflation, die allerdings immer noch extrem hoch ist. Im Dezember 2024 lag die Inflationsquote bei 117%.
Als Tourist wundert man sich, dass die Preise für fast alles auf europäischem Niveau liegen. Und bei der Lektüre von Reiseführern wie dem Loney Planet (Ausgabe 04/2022) merkt man bei den Preisangaben, dass damals 1 US-Dollar 176 Pesos entsprach, heute liegt der Kurs eher bei 1.200 Pesos bei entsprechenden Preissteigerungen. Der Preis für eine Busfahrt von Buenos Aires nach Cordoba wurde 2022 mit 570 – 1.100,- Pesos angegeben, real bezahlt man heute (Januar 2025) 30.000 – 40.000,- Pesos!
Als Argentinier*in kann man diese Geldentwertung (konkret z.B. die Entwertung der Renten, die in Pesos ohne Inflationsausgleich gezahlt werden) im Alltag nicht auffangen und es ist für Menschen ohne hohe Rücklagen (oder entsprechend hohe Einkommen) unmöglich, diese Preise in den Lebensmittelläden zu bezahlen. Vor wenigen Tagen hat Mariano Quiroga in einem – sehr lesenswerten – Aufsatz den Alltag der Argentinier*innen eindringlich beschrieben: „Wenn der Monat siebe Tage dauert“ … und das Geld für den Rest des Monats nicht ausreicht. In dem Artikel erwähnt er u.a., dass das Geld auch für notwendige Medikamente nicht mehr reicht: Das war einer der beschämenden Momente, die wir in Buenos Aires erlebt haben, als eine adrette alte Dame ein Rezept vor sich hochhielt, durch die U-Bahn ging und die Fahrgäste um Geld bitten musste, weil sie das dringend benötige Medikament nicht selbst bezahlen konnte. Auch das ist Mileis Argentinien im Jahr 2025! „Sie haben uns gesagt, dass die Elite zahlen würde, am Ende zahlen wir„, schreib der Autor Mariano Quiroga über die politischen Versprechen einer rechtspopulistischen Elite.