[Tulum/ Bacalar] Nachdem wir Lima und den Norden Perus (leider) wegen Sicherheitsbedenken bereits aus der Reiseplanung gestrichen hatten und uns der Landweg nach Mittelamerika durch den gefährlichen „Darien-Gap“ – und die ebenfalls verschlechterte Sicherheitslage in Ecuador – versperrt war, mussten wir gegen alle Vorsätze einen LATAM-Flug von Cusco über Lima nach Cancún nehmen. Ziel und Zweck: Treffen mit unserem jüngsten Kind Jan und seiner kleinen – im Zeitverlauf von 3 auf 5 angewachsenen – Reisegruppe, die nach einem halbem Jahr Mittelamerika auf dem Rückweg nach Deutschland war. Mit ihrer Buchung zwangen sie uns zu einem Abstecher nach Mexiko, das wir – ebenfalls wegen der Sicherheitslage – eigentlich nicht in unseren Reiseplänen drin hatten. Aber wie immer siegt Herz über Hirn und so trafen wir uns für einige Tage in Tulum, wir wollten mit diesem Ort ein paar Stunden südlich von Cancún dem Billigtourismus dieser US-Urlaubsenklave entgehen.

Immerhin viel Seegras für das viele Geld …

Weit gefehlt: weder konnten wir der US-Dominanz in diesem Teil der Welt entgehen noch den offensichtlichen Sicherheitsmängeln im mexikanischen Staat. Schon bei der Buchung unseres Appartements stellten wir fest, dass fast alle Angebote auf – vornehmlich junge – Gruppenreisende aus den USA ausgerichtet sind: alle Schlafzimmer mit eigenem Bad, vollklimatisierte Räume, riesige offene Küchenzeilen mit jedem Schnick-Schnack (vermutlich lassen sich die Nordamerikaner*innen das Essen aber eher anliefern), Pools wohin man schaut, auf dem Dach, im Erdgeschoss, Grillanlagen in der großen Lounge auf dem Zweitdach etc. Daneben per WhatsApp ständig (völlig überteuerte) Dollarangebote für Yachten, exklusive Strandzugänge, Massagen (2- bis 8-Hand!), Jeeps mit viel PS und Vierradantrieb etc.. Tulum ist – vermutlich wie Cancún, das wir uns gespart haben – vollständig auf die Bedürfnisse von US-Touristen ausgerichtet, an jeder Ecke wird kassiert: das mit den Strandzugängen haben wir erst nach einer (überteuerten) Taxifahrt an den einzigen öffentlichen Strand verstanden: alles in privater Hand, Strandzugänge nur gegen hohe Eintrittsgelder und/oder sehr hohen Mindestumsätzen an Getränken und Essen. Ein „einfacher“ Strandbesuch für unsere Gruppe von 7 Personen geht mit der Anfahrt (der Ort Tulum liegt an einer Schnellstraße zurückgesetzt vom Meer) und Eintrittsgeldern sowie Mindestumsätzen schnell in die Dollar-Hunderter. Allerdings waren wir schnell von Strandgelüsten („Playa Paraiso“ – ha!) geheilt: überall moderte metertiefes Seegras am Strand vor sich hin, nicht nur im öffentlichen Bereich, auch in den privaten Bereichen … es gibt also doch Gerechtigkeit in dieser Welt. Mit einer gewissen Befriedigung stellten wir uns vor, wie die vielen US-VIP-Touris zwei teure Wochen an diesem „Traumstränden“ gebucht haben, um dann ihren Frust über stinkende und hässliche Strände mit Corona-Bier oder härterem Stoff zu ertränken. Wir genossen jedenfalls ab Tag 2 vor allem unsere Luxus-Hütte mit Lounge, Pool und Grill. Wer den Tipp noch braucht: vermeidet die gesamte Ost-Küste der Yucatán-Halbinsel: voll mit US-Amerikanern, Abzockern und Seegras! Kritische Anmerkung der Reisebegleiterin: Soo schlimm war es nicht, und es gibt beachtliche Maya-Ruinen (die allerdings um 3 pm schließen), schneeweißen mehlfeinen Sand und mit sanften Flossenschlägen durch das warme, türkisfarbene Meer dahingleitende „tortugas marinas“, mit denen man schnorcheln kann (für einige dollares, versteht sich…).

Schlimmer ist allerdings die allgemeine Sicherheitslage in Mexiko: Wenige Tage vor unserer Einreise nach Mexiko wurden zwei enge Vertraute der Bürgermeisterin von Mexiko-Stadt mitten am Tag im Berufsverkehr von einem Motorrad aus in ihrem Wagen erschossen. Kein Amtsträger und keine Amtsträgerin in Mexiko kann sich seines bzw. ihres Lebens sicher sein. Im Hintergrund lauern kriminelle Parallelstrukturen, die sich aus Drogengeldern finanzieren und in Kartellen organisieren. In einem relativ offenen Gespräch mit Mexikanern in Bacalar beklagten diese, dass die Kartelle und Drogenbanden bereits 8- und 9-jährige Kinder anheuern. Eine Erziehung zu Killern, die auch Reuters aktuell thematisiert. Das Schlimmste sind aber die vielen „Verschwundenen“ aus allen sozialen Schichten, allen Altersgruppen und jeden Geschlechts. In dem sehr kleinen Ort Bacalar, an der idyllischen Lagune („de los siete colores“) gelegen und ohne großartiges Nachtleben und dessen Begleiterscheinungen wie Prostitution und Drogen hingen an vielen Laternenpfosten, Wänden und neben dem Portal des Rathauses die offiziellen Vermisstenanzeigen der letzten Monate. Auf unsere Nachfragen hin sprach man ungern über diese – offensichtlichen – Fälle, es seien Personen, die sich in irgendeiner Weise auf die Kartelle eingelassen hätten. Es gehe in der Regel nicht um Lösegeld, es geht um ein dauerhaftes „Verschwinden“.

Von der Polizei sei nicht viel zu erwarten, das System sei in Gänze korrupt. Und wie zum Beweis führten unsere Begleiterin und unser Begleiter uns mit dem Boot an die Investitionsruine „Las Velas“ heran, die idyllisch an der Lagune liegt, allerdings als Hotel mit 325 Zimmern, Pools, Gesundheitszentren etc. für die betuchten Gäste nie in Betrieb ging. Jetzt ist es eine Investitionsruine mit leeren Fensterhöhlen, inmitten eines traumhaften Ufergartens. In den Kauf, Weiterverkauf, die Finanzierung mit Schwarzgeldern und die wohlwollenden Genehmigungsverfahren war u.a. auch der damalige Gouverneur Mario Villanueva Madrid verwickelt, der in den Folgejahren wegen Geldwäsche (aus Drogengeldern) zu mehreren Jahrzehnten Gefängnis verurteilt worden ist und heute noch seine Strafe – allerdings zu Hause mit einer Fußfessel – absitzt.

Die Dame könnte den US-Amerikanern den Marsch blasen …

Wir wussten schon, warum wir einen Bogen um Mexico machen wollten Uns tun die vielen netten Menschen vor Ort leid, die ihren Alltag, ihr Leben und das ihrer Kinder in diesem Umfeld organisieren müssen, ohne selbst Teil eines korrupten und teilweise tödlichen Systems zu werden. Aber als die nächste Meldung über 17 Opfer der Drogenkartelle kam, die im Norden Mexikos auf der Drogenroute in einem verlassenen Haus aufgefunden worden sind, wussten wir, dass dies kein Land ist, in dem man Urlaub machen kann (und im Zweifel irgendwelche halbseidenen Investoren mit Einnahmen versorgt). Armes Mexiko und arme Mexikaner*innen, von US-Touristen abhängig, die sie nicht mögen, und gefangen in einer Gewaltspirale, der sie kaum entrinnen können. Einer unserer Begleiter machte seinem Ärger Luft: „Wir sind keine Drogenproduzenten, Mexiko ist reines Transitland. Gäbe es nicht den Drogenkonsum in den USA, gäbe es auch keine Drogenkartelle in Mexiko! Die USA muss tätig werden, und zwar im eigenen Land!„. Da kann man nur zu 100% zustimmen (während wir uns die Freiheit nehmen können und nach Belize weiterreisen).