[Asturien] Die Fahrt von Bilbao an der baskischen und asturischen Küste entlang nach Westen ist geruhsam und vom ständigen Blick auf das Meer geprägt. Die Landschaft ist satt grün, abwechslungsreich und von Ortschaften durchsetzt, in denen man jederzeit gerne mal anhalten würde. Wir entscheiden uns für zwei Nächte in einem kleinen Hotel in der Nähe von Cudillero, unweit der Küste, an einer kleinen Straße gelegen und von einer gesprächigen Dame geführt, die sich ganz dem Wohl der – wenigen – Gäste verschrieben hat. Neben selbstgemachter Marmelade gehörte bei Abreise auch ein gehäkeltes Abschiedsgeschenk für die Frau zu den markanten Sonderheiten.
Weitere Sonderheiten Asturiens fallen auch außerhalb des Hotels auf: fast jedes größere Haus verfügt über einen historischen „Hórreo“, einen Maisspeicher, mit dem früher der Ernteertrag vor Kleintieren geschützt wurde. Heute wirken diese großen Bauten wie mißglückte Versuche, einen Stall um eine Etage aufzustocken. Unsere Hotelfachfrau konnte uns auch hier mit Hintergrundinformationen bereichern: Man munkelt in der Region, dass sich früher – zu Großvaters Zeiten – der eheliche Beischlaf mangels Privatsphäre im eigentlichen Haus auch in diesen Hórreos vollzog …
Die zweite Sonderheit fiel schon im Baskenland auf (und der aufmerksame Beobachter hätte bereits auf Höhe der Pyrenäen fündig werden können): wir kreuzen ständig den Jacobsweg bzw. der kreuzt unseren Weg. Neben den Hinweisen an Gebäuden manifestiert sich der „Camino de Santiago“ vor allem in den leicht bepackten Menschen mit Wanderstöcken am Wegesrand, die mehr oder weniger beglückt der Straße Richtung Westen folgen. Auch als säkular angehauchter Mensch kann man anerkennen, dass der Weg inzwischen eine kulturelle Institution ist und bekanntlich das eigentliche Ziel. Auf der Fahrt gibt es intensive Debatten, ob man tatsächlich bis nach Santiago de Compostela vordringen muss, das den Klang und den Schrecken von Lourdes (kommerzialisierter Glaube) hat. Eine Entscheidung steht noch aus.
Als dritte Sonderheit, die uns in Asturien auffällt und bis nach Galicien begleitet, ist die wahrnehmbare Sprachenvielfalt und die Pflege der regionalen Sprachausprägungen bzw. Dialekte. In der Nähe von Cudillero stießen wir auf ein Willkommensschild, auf dem scheinbar neben anderen Sprachen das Deutsche fehlte. Erst beim zweiten Blick fiel auf, dass da keine englischen oder französischen Willkommensgrüße aufgeführt waren, sondern fünf regionale Ausprägungen des spanischen (kastilischen) „Bienvenido!“. Die Pflege regionaler Sprachen ist in ihrer integrativen Wirkung und in Bezug auf die kulturelle Vielfalt einer Gesellschaft nicht zu unterschätzen. Auch eine Form von Minderheitenschutz und Respekt vor gesellschaftlicher Diversität, die wir heute mehr denn je pflegen und bewahren sollten.