[Costa de la Luz] Bevor wir Conil endgültig verlassen, hier noch ein Wort zu einer Besonderheit der Region: Die Gegend ist bekanntlich reich an Fisch, aber nichts ist so prägend wie der „Atún“, der Thunfisch. Er wird hier seit Jahrhunderten als Spezialität in Form des roten Thunfischs gefangen und sein Zug durch die Straße von Gibraltar hat über Jahrtausende das Leben und das Gewerbe vor Ort geprägt. Es gibt einen eigenen spanischen Begriff für die seit Jahrtausenden praktizierte Fangmethode, die „Almadraba“. Klingt maurisch (ist auch arabisch), ist aber der seit den Phöniziern praktizierte Fang des Thunfischs in der Gegend von Cadiz über Conil und Barbate bis nach Tarifa. Die Fischer legen große Netze aus, die von mehreren Booten aus langsam zusammengezogen werden und am Ende mit den Booten einen Kessel bilden, in dem der Thunfisch gefangen ist. Dort werden die größten und besten Exemplare beim Heben des Netzes (die „Levantá“) ausgesucht und an Bord geholt. Der Beifang ist gering. Der Prozess ist gefährlich, wir trafen einen spanischen Bekannten, dessen Onkel bei der Levantá von der Flosse eines Thunfischs tödlich getroffen worden war.
Die Saison der Almadraba ist von etwa April bis Juni, wenn die Fische aus dem kalten Atlantik ins wärmere Mittelmeer schwimmen, um dort ihren Nachwuchs abzulegen. Sie schwimmen küstennah, um den Orkas zu entgehen und sind somit in ihren riesigen Schwärmen, die man an der Wasseroberfläche gut erkennen kann, leichte Beute für die Fischer. Seit über 3.000 Jahren sind sie eine wertvolle Ressource für die lokale Wirtschaft und Lebensgrundlage für viele Familien der Gegend. Zwischen 300 und 400 Kilogramm bringt ein großes Exemplar Thunfisch auf die Waage. Da alleine für die die Lizenzen pro Kilo 12,-€ bezahlt werden, kann man davon ausgehen, dass ein einzelner ausgewachsener Thunfisch mindestens 6.000,- bis 10.000,-€ wert ist … daher spricht man auch gerne vom „roten Gold“ (oro rojo), das in der Straße von Gibraltar gehoben wird.
In neuerer Zeit wurden die Netze immer größer und die Fangquoten konzentrieren sich immer stärker auf wenige großindustrielle Fischerei- und Handelsgesellschaften, die insbesondere den hochpreisigen japanischen Markt bedienen. Das führt zu kritischen Debatten in den lokalen Gemeinden und zu heftigen Forderungen nach Erhöhung der Fangquoten (die zum Schutz der Art international durch die ICCAT begrenzt sind). Von den 40.000 Tonnen Fangquote weltweit gingen 2023 ca. 6.800 Tonnen an Spanien und davon durften etwa 1.600 Tonnen vor den Küsten Conils gefischt werden [Quelle]. Die Folge ist ein schwunghafter Handel mit Quoten, in dem z.B. die baskischen Fischer ihre Fangquoten an die gut zahlenden Gesellschaften in Andalusien verkaufen. Das Nachsehen haben die kleinen Fischer und der Fisch. Der Thunfisch hat angesichts der riesigen Netzanlagen, die teilweise mehrere Hundert Meter breit sind und aus einer Vielzahl von Fangkammern bestehen, kaum eine Chance auf Entkommen.
In Conil liegen am Hafen Unmengen von Ankern, die für die Netzanlagen benötigt werden, die im Frühjahr durch Taucher ausgelegt und aufgebaut werden. Mit der „Almadraba“ (ungefähre Bedeutung: „der Ort, an dem geschlagen und gekämpft wird“) hat das nicht mehr viel zu tun. Immerhin muss man zwei Dinge positiv festhalten: nach offiziellen Angaben ist die Fangmethode nachhaltig in dem Sinne, dass nur ausgewachsene mindestens 12 Jahre alte und mindestens 50 kg schwere Fische abgefischt werden und so gut wie kein Beifang gemacht wird. Zudem werden die Quoten in Summe wohl eingehalten und die Thunfisch-Populationen im Atlantik konnten sich in den letzten Jahren trotz der (aus Fischsicht) Horrornetze erholen.
So kann darf man mit einem bedingt guten Gewissen den roten Thunfisch in Conil essen. Empfohlen werden Fische aus dem Frühjahrsfang (Fische schwimmen mit viel Energie und Fett) in Richtung Mittelmeer. Der spätere Fang im Jahr (Fische schwimmen nach dem Laichen wieder aus dem Mittelmeer in den Atlantik) schmeckt angeblich weniger gut. Das ist aber was für die Feinschmecker*innen und aus Sicht des Fisches dürfte die beste Option sowieso in einem konsequenten Veganismus bestehen.