[Guatemala/ Panama] Wir sind aktuell in Guatemala und damit in einer der historischen „Bananen“-Republiken, die nach US-Lesart (Monroe-Doktrin) den „Hinterhof“ der USA ausmachen. Es gibt wenige Länder, die sich besser eignen, die von (privaten) Wirtschaftsinteressen getriebene US-Außenpolitik zu illustrieren, als dieses mittelamerikanische Land. Es gibt auch kaum bessere Zeiten, sich mit dem faktischen US-Imperialismus in der Region zu beschäftigen, um zu verstehen, warum Politik und Rhetorik der Trump-Regierung hier nicht auf die leichte Schulter, sondern ernst genommen werden (siehe auch Blog-Beitrag #56 zu Chile oder #45 zu Argentinien).
„United Fruit Company“ hieß bis 1990 das US-Monopolunternehmen, das weltweit größter Bananenexporteur war und dann in „Chiquita“ umbenannt wurde. Heute ist das Unternehmen mit 13% Marktanteil immer noch Weltmarktführer. In Deutschland kennen 96% der Bevölkerung die Marke. Was sicherlich nicht 96% der Konsumenten kennen, ist die lange, negative Geschichte des Unternehmens: „Die Geschichte des Unternehmens ist geprägt durch die neokoloniale Ausbeutung von Menschen in den Produktionsländern, weitreichende politische Einflussnahme und die Unterstützung diktatorischer Regime und Gruppen zur Sicherung des eigenen Geschäfts“ (Wikipedia).

Bevor Du das nächste Mal in eine „Chiquita“-Banane beißt, hier ein bisschen Futter für das Gehirn und das Gewissen: Das Unternehmen begann bereits 10 Jahre nach Gründung (1899) mit der ungehemmten Durchsetzung von wirtschaftlichen Interessen in den mittelamerikanischen Anbaugebieten. 1910 wollte das Unternehmen Steuererleichterungen in Honduras durchsetzen, die von der Regierung nicht akzeptiert wurden. Kurzerhand setzte das Unternehmen mit einer eingekauften Söldnertruppe den Präsidenten ab und ließ sich für 25 Jahre von jeglicher Steuerpflicht befreien (Putsch in Honduras).
Knapp 20 Jahre später ging die Firma in Kolumbien gegen mehrere Tausend streikende Arbeiter vor, die gegen miserable Arbeitsbedingungen demonstrierten. Am 6. Dezember 1928 wurden bis zu 2.000 Arbeiter*innen von kolumianischen Militärs in Ciénaga erschossen („Bananenmassaker“ in Kolumbien).
In Guatemala lieferte das US-Bananenunternehmen Anfang der 50er-Jahre die Blaupause für künftige CIA-Operationen gegen gewählte, demokratische (in der Regel linke) Regierungen in Lateinamerika. Angesichts einer geplanten Landreform der demokratisch gewählten Regierung Jacobo Arbenz 1951 und der geplanten Enteignung von Großgrundbesitz (gegen Entschädigung) intervenierte das Unternehmen beim US-Außenministerium. Wie es der Zufall so wollte, waren damals schon Lobbyisten der Großunternehmen in der Regierung: mit John Foster Dulles als Außenminister und seinem Bruder Allen Dulles als CIA-Direktor zwei bezahlte Berater von United Fruit Company (!). Unternehmen und Regierung finanzierten eine Öffentlichkeitskampagne gegen Guatemala („kommunistische Gefahr“) und finanzierten die verdeckte Geheimdienstoperation „PBSUCESS“. Im Juni 1954 wurde eine Söldnertruppe ins Land geschleust und mit einer massiven Fehlinformationskampagne (durch PR-Ikone Edward Bernays) die Regierung von Guatemala dermaßen verunsichert, dass der Präsident kampflos und freiwillig sein Amt aufgab. „Es folgte eine fast 40 Jahre andauernde, von der CIA unterstützte Militärdiktatur, die vermutlich über 100.000 Todesopfer forderte, von denen viele zu den sogenannten „Verschwundenen“ zählen.” (Putsch in Guatemala 1954). Kaum erwähnenswert, dass die United Fruit Company ihre Ländereien sofort zurück bekam und alle Arbeitnehmerschutzrechte gestrichen wurden. Erwähnenswert dagegen, dass dieser kapitalistische Putsch zum Schlüsselerlebnis für Menschen wie Che Guevara (vgl. Blog-Beitrag #50) und für Literaten wie Mario Vargas Llosa (mit dem Roman „Harte Jahre“) wurde.
Vor einem Jahr geriet das Unternehmen (jetzt als Chiquita) erneut in die Schlagzeilen, weil es im Juni 2024 von einem US-Gericht zu einer Strafzahlung verurteilt worden war: 38 Mio. USD als Schadensersatz an die Familien von acht Kolumbianern, die von der – von Chiquita zwischen 1997 und 2004 bezahlten – rechtsgerichteten Guerillatruppe AUC getötet worden waren (Kolumbien 90er/2000er-Jahre).
Und heute? Heute besitzt das Unternehmen immer noch riesige Plantagen in Mittelamerika. Und bleibt sich in seiner antigewerkschaftlichen und arbeitnehmerfeindlichen Grundhaltung treu: aktuell hat das Unternehmen alle Arbeitnehmer (in der Regel Tagelöhner) in Panama entlassen, weil diese sich in einem Streik gegen Verschlechterungen ihrer Renten- und Sozialleistungen wehren. 6.500 Menschen wurde fristlos gekündigt, das Management hat den Betrieb eingestellt und das Land Anfang Juni verlassen (Panama 2025).
Man kann tatsächlich nicht durch diesen Kontinent reisen, ohne auf die alten (spanischen) Ausbeutungsstrukturen und die aktuelle (westliche) Ausbeutung zu stoßen. Wer sich über instabile Regierungen und anhaltende Armut in Lateinamerika wundert, sollte die Gründe dafür nicht in Lateinamerika suchen, sondern in den billigen Lebensmittelauslagen, Elektronikwaren (und auch Drogen) zu Hause in Deutschland. Erste Abhilfe: streiche die Chiquita-Banane von der Einkaufsliste!