Gedanken Politik

#62 | Die Realität holt uns täglich ein …

[Südamerika] Es ist kaum zu fassen, dass ein einzelner Mensch die Welt so auf Trab halten kann und weltweit im Fokus steht. Es geht uns hier – am hintersten Ende von Chile zwischen hohen, trockenen Bergen – kaum anders als einem Großteil der Menschheit. Mit zunehmendem Entsetzen nehmen wir wahr, dass sich unsere Welt durch das Agieren einer kleinen, aber sehr gezielt agierenden Gruppe von radikalisierten Menschen drastisch verändert und sich das politische Koordinatensystem massiv nach rechts verschiebt. Trump mag da nur eine Oberflächenerscheinung für tieferliegende Entwicklungen sein, aber er ist der Kristallisationspunkt für die radikale Rechte, ohne ihn wäre weder in den USA noch weltweit eine solche Dynamik in der Demontage demokratischer Strukturen und transatlantischer Gewissheiten vorstellbar.

Das trifft uns auch in unserem Sabbatical, völlig unabhängig von den konkreten Orten, die sehr weit weg erscheinen. Das schränkt auch die eigene Fähigkeit stark ein, sich unbedarft und unbelastet dem Neuen hinzugeben. Immer schwingen die bedrohlichen und folgenreichen Negativmeldungen aus den USA – aber auch vom Erstarken der Rechtspopulisten in Europa und Deutschland – mit und rauben einem einen guten Teil der Freude am Alltag. Die Berichte über den depressiven Effekt von „Doomscrolling“ waren bislang sehr abstrakt und wie für andere geschrieben. Leider passiert genau das: man fixiert sich zunehmend auf die Negativ-Nachrichten, die turbulenten sozialen Medien, das Handy als Tor zu dieser Negativ-Welt ist immer zur Hand und die nächste deprimierende Nachricht sickert toxisch ins Bewusstsein.

Der absolute Tiefpunkt war Freitag, der 28. Februar 2025, der uns allen sicherlich als Fanal für Europa und als Offenbarung (der radikalen Entschlossenheit und völligen Enthemmung Trumps) in schlechter Erinnerung bleiben wird. Die gezielte öffentliche Demontage von Präsident Zelensky vor laufenden Kameras raubte einem die letzte Hoffnung, die man noch an eine Rest-Rationalität im politischen Washington hätte haben können.

Wir haben in dieser Situation festgestellt, dass drei Dinge helfen können: a) Mit Gleichgesinnten sprechen und sich gegenseitig darin bestärken, dass das alles NICHT NORMAL ist und NIEMALS normal werden darf. Uns hat es schon geholfen, dass das junge, niederländische Pärchen, das neben uns Quartier bezogen hatte, die Situation ähnlich bewertete. Man ist nicht allein. Notfalls aktiviert man eben seine „Bubble“ in den sozialen Medien und abonniert Kanäle, die einen im „Normalsein“ bestrken; b) Sich auf Positives konzentrieren, das kann im Privatleben das schlichte Abschalten sein (im wörtlichen Sinne: Handy & soziale Medien für ein paar Stunden zur Seite legen) und das Lesen eines guten Buchs, der Besuch eines Museums, Sport oder ein Gang in die Natur, die von Trump & Co. völlig unbeeindruckt ist. Tue mehr von dem, was Dir gut tut! c) Aktiv werden und im Rahmen seiner Möglichkeiten gegenhalten. Das muss jeder und jede für sich konkretisieren. Ein kleines Projekt in diesem Sinne, das die Zeit bis zur Rückkehr nach Deutschland politisch füllen wird, ist „Trumpistan“. Bereits in der Zeit von Trump 1.0 als Adresse gebucht und nach der Wahl von Biden 2020 eingemottet, ist die URL jetzt erstmals für Trump 2.0 aktiviert und mit Leben gefüllt. Es ist ggf. ein unbeholfener Versuch der Gegenwehr (durch Information, Dokumentation und Konnotation all der aberwitzigen Entwicklungen), aber subjektiv kanalisiert es das unbestimmte Gefühl von Verunsicherung, Ängsten und Frust auf eine produktive Tätigkeit.

Die Realität wird uns zwar weiterhin täglich einholen, aber Mr. T. und sein Trumpistan erhalten etwas weniger Dominanz in unserem Alltag. Und aus dem „Doomscrolling“ wird plötzlich eine produktive Tätigkeit. Über einen Besuch auf der Website und konstruktive Kritik/ Feedback freuen wir uns: www.trumpistan.eu

You may also like...